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Mehr Mut zum Mitdenken in Unternehmen (20.03.2012)

Es gibt einen mutigen Verkehrsplaner, Hans Monderman, der mit seiner forschen Vereinfachung auch vielen Unternehmern einen Impuls geben kann. Denn überall, wo er hin kam, alles abgeschafft hat, was vorher über Jahrzehnte aufgestellt worden war: Stoppschilder, Ampeln, Vorfahrtshinweise – alles, was den Verkehr regelte kam weg, radikal. Die Menschen waren zuerst verunsichert. Wie soll das Zusammenleben im Straßenverkehr ohne Regeln funktionieren? Viele hatten Angst, denn sie glaubten ohne Schilder ist der Verkehr viel gefährlicher. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Ein von der Europäischen Union durchgeführter Modellversuch in sieben europäischen Gemeinden hat gezeigt, dass zu viele Regeln und Regulierungsmaßnahmen die Menschen überhaupt erst dazu bringen, sich nachlässig und dumm zu verhalten, weil sie durch all die Vorschriften verlernen, selbst zu denken. So lassen sich Autofahrer vor einer roten Ampel schnell ablenken, und wenn dann plötzlich grün kommt geben sie Gas, ohne zu gucken. Aber wo kam plötzlich der Radfahrer her… Schafft man die Ampel ab, dann werden die Menschen plötzlich wieder aufmerksamer. Sie verständigen sich per Augenkontakt. Und plötzlich genügen drei Regeln: Tempo 30, rechts vor links und aufpassen. Das System ist selbstregulierend: Die Schnellen achten auf die Langsamen, man lässt sich Raum, gibt auch mal nach. Das Konzept heißt Shared Space (gemeinsam genutzter Raum) und erfordert Rücksichtnahme und Verantwortung. Von allen, für alle. Der Effekt ist überzeugend: Der Verkehr fließt flüssiger und Unfälle tendieren gegen null – nachweislich.

Weniger Regeln helfen auch in Unternehmen
Wenn in Unternehmen die Regeln auf ein notwendiges Minimum reduziert werden, muss jeder Mitarbeiter wieder mehr mitdenken. Das heißt: Entscheidungen abgestimmt treffen, sich mit den Kollegen absprechen und immer auf dem Laufenden bleiben. Doch ganz ohne Regeln geht es weder auf den Straßen noch in einem unternehmen. Die Buchhaltung etwa, wäre ohne Standards nicht zu führen, Projekte brauchen Strukturen und Marken benötigen Stringenz. Aber reduzierte Vorschriften genügen beinahe immer und überall.

Aus Regelbefolgern werden dann Kollegen, die sich ihrer Verantwortung für das Unternehmen bewusst sind. Die vielleicht anfangs auch ein paar Fehler machen, weil sie unsicher sind, weil sie sich an den neuen Handlungsspielraum erst gewöhnen müssen. Aber langfristig beginnen alle, sehr viel eigenständiger und eigenverantwortlicher zusammen zu arbeiten. Shared Space funktioniert. Wenn auch nicht alle, so können die meisten Menschen sehr wohl für sich herausfinden, was in einer bestimmten Situation das beste Verhalten ist. Und sie werden Mittel und Wege finden, wie sie ihr Handeln auf das ihres Umfelds abstimmen können. Man sollte aber vor lauter Euphorie nicht gleich alle Regeln blind abschaffen. Einige übergeordnete Regeln braucht man immer. Doch jede abgeschaffte hilft dem Unternehmen. Der Preis ist zwar Machtverlust und auch die Herausforderung hat es in sich, nämlich für Akzeptanz werben und die Übergangszeit aushalten. Doch am Ende sind der Lohn kreativere, umsichtigere und effektivere Mitarbeiter sowie bessere Ergebnisse. Der Mut lohnt sich.